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Archive for the ‘Kafka’ Category

Damals und damals überall hätte ich die Aufmunterung gebraucht.  Ich war ja schon niedergedrückt durch Deine blosse Körperlichkeit.  Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie wir uns öfters zusammen in einer Kabine auszogen.  Ich mager, schwach, schmal, Du stark, gross, breit.  Schon in der Kabine kam ich mir jämmerlich vor, und zwar nicht nur vor Dir, sondern vor der ganzen Welt, denn Du warst für mich das Mass aller Dinge.

Traten wir dann aber aus der Kabine vor die Leute hinaus, ich an Deiner Hand, ein kleines Gerippe, unsicher, blossfüssig auf den Planken, in Angst vor dem Wasser, unfähig Deine Schwimmbewegungen nachzumachen, die Du mir in guter Absicht, aber tatsächlich zu meiner tiefer Beschämung immerfort vormachtest, dan war ich sehr verzweifelt und alle meine schlimmen Erfahrungen auf allen Gebieten stimmten in solchen Augenblicken grossartig zusammen.

. . .

Dem entsprach weiter Deine geistige Oberherrschaft.  Du hattest Dich allein durch eigene Kraft so hoch hinaufgearbeitet, infolgedessen hattest Du unbeschränktes Vertrauen zu Deiner Meinung. . . . In Deinem Lehnstuhl regiertest Du die Welt.  Deine Meinung war richtig, jede andere war verrückt, überspannt, meschugge, nicht normal.

. . .

Der Mut, die Entschlosenheit, die Zuversicht, die Freude an dem und jenem hielten nicht bis zum Ende aus, wenn Du dagegen warst . . .

Hauptwörter

die Absicht intention, intent
der Augenblick moment
die Aufmunterung cheering up, encouragement
die Beschämung shame, humiliation
die Dinge thing
die Entschlosenheit determination
die Freude joy
das Gebiet sphere, area
das Gerippe skeleton
die Körperlichkeit physical presence
die Kabine locker room
der Lehnstuhl easy chair
das Mass measure
die Meinung opinion
die Mut courage
die Oberherrschaft supremacy
die Planke plank, board
die Schwimmbewegung swim motion, swimming strokes
das Vertrauen trust, confidence
die Zuversicht confidence, optimism

Zeitwörter

ausziehen, -zog, -gezogen undress
entsprechen, -sprach, -sprochen correspond to, agree with, comply with
geschehen, geschah happen
genügen suffice, be enough
hinauf/arbeiten work up, work one’s way up (the ladder of success)
hinaustreten, -trat, getreten step out
nachmachen immitate

niederdrücken press down, oppress, depress
stimmen tune, be in tune, fit, be true
regieren rule
verzweifeln despair
vorkommen, -kam be found, happen, seem
vormachen show how

Andere Wörter

an dem und jenem in this and that
blosse bare, mere
blossfüssig barefoot
breit broad
dagegen against it
damals back then, at that time
eigen one’s own
geistig intellectual
grossartig grand, great, splendid
infolgedessen as a result of this, consequently
jämmerlich miserable
mager lean
meschugge (Yiddish) crazy
schlimm bad
schmal meager
schon already, even
schwach weak
tatsächlich actual/ly, real/ly, in fact
tief deep
überspannt extravagant, outlandish
unbeschränkt absolute, unrestricted
unfähig incapable, unable, incompetent
verrückt mad, crazy
zwar in fact, to be sure

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Direkt erinnere ich mich nur an einen Vorfall aus den ersten Jahren.  Du erinnerst Dich vielleicht auch daran.  Ich winselte einmal in der Nacht immerfort um Wasser, gewiss nicht aus Durst, sondern wahrscheinlich teils um zu ärgern, teils um mich zu unterhalten.  Nachdem einige starke Drohungen nicht geholfen hatten, nahmst Du mich aus dem Bett, trugst mich auf die Pawlatsche und liessest mich dort allein vor der geschlossenen Tür ein Weilchen im Hemd stehn.  . . . Ich war damals nachher wohl schon folgsam, aber ich hatte einen inneren Schaden davon.

Das für mich Selbstverständliche des sinnlosen Ums-Wasser-Bittens und das ausserordentlich Schreckliche des Hinausgetragenwerdens konnte ich meiner Natur nach niemals in die richtige Verbindung bringen.  Noch nach Jahren litt ich unter der quälenden Vortellung, dass der riesige Mann, mein Vater, die letzte Instanz, fast ohne Grund kommen und mich in der Nacht aus dem Bett auf die Pawlatsche tragen konnte und dass ich also ein solches Nichts für ihn war.

Das war damals ein kleiner Anfang, aber dieses mich oft beherrschende Gefühl der Nichtigkeit . . . stammt vielfach von Deinem Einfluss.  Ich hätte ein wenig Aufmunterung, ein wenig Freundlichkeit, ein wenig Offenhalten meines Wegs gebraucht . . .

Hauptwörter

der Anfang beginning, start
die Aufmunterung cheering up
die Drohung threat
der Durst thirst
der Einfluss influence
die Freundlichkeit friendliness
das Gefühl feeling
der Grund reason, basis
das Hemd shirt, undershirt, nightshirt
das Hinausgetragenwerden being carried outside
das Jahr, die Jahren year
die Nacht night
das Nichts nothing
die Nichtigkeit nothingness
das Offenhalten opening, keeping open
die Pawlatsche, Czech Pavlatche, “the long balcony in the inner courtyard of old houses in Prague” (Kafka site)
der Schaden injury, damage, harm
das Schreckliche terror, horror
das Selbstverständliche what is obvious, obvious fact
die Tür door
Ums-Wasser-Bitten asking for water
die Verbindung connection
der Vorfall incident
die Vorstellung idea, image
das Wasser water
das Weilchen little while

Zeitwörter

ärgern annoy
brauchen, gebraucht need; Ich hätte . . . brauchen I could have needed
sich erinneren remember
helfen, half, geholfen help
nehmen, nahm, genommen take
steh(e)n stand
stammen come from
tragen, trug carry
unterhalten maintain, support, entertain
winseln wimper, whine

Andere Wörter

ausserordentlich extraordinary, unusual, inordinant
beherrschend dominating
damals then
davon from it
folgsam obedient
geschlossen closed
gewiss certain
immerfort evermore
nachher afterwards
niemals never
quälend tormenting
riesig gigantic
teils in part
um for; ums=um das
vielfach multiple
wahrscheinlich probably

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I found the following quotation attributed both to Kafka and to Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799).  The attribution to Kafka is more specific, from a letter to to Oskar Pollak dated January 27, 1904.  I am inclined to think this is accurate.  The reference to Lichtenberg could be confused–or Kafka could be quoting from Lichtenberg, who was famous for his aphorisms.  Perhaps Lichtenberg was well known to both Kafka and Pollak; so there was no need to identify the source?  I’m sure this problem is easily solvable–anyone with access to a good German library could find the answers in a few minutes.  But I prefer to try to reason it out, based on the inherent probabilities, like Richard Bentley who is reported to have said, “my mind is better than a hundred manuscripts.”

If anyone has a definitive answer, please post it.  Meanwhile, here is the quote:

Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? Damit es uns glücklich macht, wie Du schreibst? Mein Gott, glücklich wären wir eben auch, wenn wir keine Bücher hätten, und solche Bücher, die uns glücklich machen, könnten wir zur Not selber schreiben.

Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder verstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Das glaube ich.

Hauptwörter

die Axt ax
das Buch, die Bücher book
der Faustschlag punch, blow
das Meer sea
die Not need, necessity
der Schädel skull
der Selbstmord suicide
das Unglück calamity, misfortune
der Wald, die Wälder forest

Zeitwörter

beißen bite
brauchen need
glauben believe
haben, cond hätten have
*  haben lieber love more

können, cond könnten can, could
lesen read
machen do, make
schmertzen hurt, cause pain
schreiben write
stechen stab, sting
verstoßen violate, offend, cast out
wecken arouse, awaken
wirken affect

Andere Wörter

damit so that
gefrorene frozen
glücklich happy
lieber rather
überhaupt absolutely
weg away from
wozu to what end, why?

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Vergleich uns beide:

ich, um es sehr abgekürzt auszudrücken, ein Löwy mit einem gewissen Kafkaschen Fond, der aber eben nicht durch den Kafkaschen Lebens-, Geschäfts-, Eroberungswillen in Bewegung gesetzt wird, sondern durch einen Löwy’schen Stachel, der geheimer, scheuer, in anderer Richtung wirkt und oft überhaupt aussetzt.

Du dagegen ein wirklicher Kafka an Stärke, Gesundheit, Appetit, Stimmkraft, Redebegabung, Selbstzufriedenheit, Weltüberlegenheit, Ausdauer, Geistesgegenwart, Menschenkenntnis, einer gewissen Großzügigkeit, natürlich auch mit allen zu diesen Vorzügen gehörigen Fehlern und Schwächen, im welche Dich Dein Temperament und manchmal Dein Jähzorn hineinhetzen.

Nicht ganzer Kafka bist Du vielleicht in Deiner allgemeinen Weltansicht, soweit ich Dich mit Onkel Philipp, Ludwig, Heinrich vergleichen kann.  Das ist merkwürdig, ich sehe hier auch nicht ganz klar.  Sie waren doch alle fröhlicher, frischer, ungezwungener, leichtlebiger, weniger streng als Du.  (Darin habe ich übrigens viel von Dir geerbt und das Erbe viel zu gut verwaltet, ohne allerdings die nötigen Gegengewichte in meinem Wesen zu haben, wie Du hast.)

Hauptwörter

die Ausdauer perseverance
die Bewegung movement, emotion
das Erbe inheritance
der Eroberungswille will for conquest
die Erobung conquest
der Fehler mistake
der Fond back, stock, basis
das Gegengewicht counter balance
die Geistesgegenwart presence of mind
der Geschäfts(wille) will for business
das Geschäft business
die Gesundheit health
die Großzügigkeit generosity
der Jähzorn abrupt anger, violent temper
derLebens(wille) will to live
das Leben life
die Menschenkenntnis knowledge of human nature
der Löwy Kafka’s mother’s maiden name
die Redebegabung gift of speech
die Richtung direction
die Schwäche weakness
die Selbstzufriedenheit self satisfaction
der Stachel spike, spine, sting, barb
die Stimmkraft strong voice
der Vorzug, die Vorzüge advantage
die Weltansicht view of the world,
perspective, outlook

die Weltüberlegenheit conquest of the world
das Wesen essence, nature
der Wille will

Zeitwörter

ausdrücken express
aussetzen abandon, expose
erben, geerben inherit
setzen, gesetzt set
hineinhetzen drive on
vergleichen compare
verwalten manage

Andere Wörter

abgekürtz cut short
allerdings admittedly
frisch fresh
fröhlich merry, happy
geheim secret
gewiss certain
Kafkasche characteristic of the K. family
leichtlebig easy going
Löwy’sche characteristic of the L. family
merkwürdig odd, curious
nötig necessary
scheu shy
streng severe, strict
übrigens by the way
ungezwungen cavalier, easy
weniger less

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Franz Kafka was born in 1883 and died in 1924 from tuberculosis, which showed its first symptoms in 1917.  He wrote the letter to his father in 1919.  The Franz Kafka web site includes is a great resource for photos, biography, and many details about Kafka’s life and work.  It also includes digital images of the manuscript of the “Brief an den Vater” as well as the text in printed type and a translation.

Ich sage ja natürlich nicht, dass ich das, was ich bin, nur durch Deine Einwirkung geworden bin. . . . Es ist sehr leicht möglich, dass ich, selbst wenn ich ganz frei von Deinem Einfluss aufgewachsen wäre, doch kein Mensch nach Deinem Herzen hätte werden können.  Ich wäre wahrscheinlich doch ein schwächlicher, ängstlicher, zögernder, unruhiger Mensch geworden, weder Robert Kafka noch Karl Hermann, aber doch ganz anders, als ich wirklich bin, und wir hätten uns ausgezeichnet mit einander vertragen können.

Ich wäre glücklich gewesen, Dich als Freund, als Chef, als Onkel, als Großvater, ja selbst (wenn auch schon zögernder) als Schwiegervater zu haben.  Nur eben als Vater warst Du zu stark für mich, besonders da meine Brüder klein starben, die Schwestern erst lange nachher kamen, ich also den ersten Stoss ganz allein aushalten musste, dazu war ich viel zu schwach.

Hauptwörter

der Bruder, die Brüder brother
der Chef boss
der Einfluss influence
die Einwirkung effect, influence
der Freund friend
der Großvater grandfather
der Onkel uncle
die Schwester sister
der Schwiegervater father-in-law
der Stoss thrust, push, shock, brunt

Zeitwörter

aufwachsen grow up,
aufgewachsen wäre had grown up
aushalten bear
geworden bin have become
wäre gewesen would have been
wäre geworden would have become
sterben, starb, ist gestorben die
vertragen endure, get along

Andere Wörter

allein alone
ängstlich nervous, timid, anxious
ausgezeichnet excellent/ly
besonders special, especially
da since
dazu for that
einander one another
frei free
ganz complete/ly
glücklich happy
klein small, little (klein sterben die young)
möglich possible
nachher later
schwach weak
schwächlich weak, sickly
stark strong
unruhig restless, troubled
wahrscheinlich probable/probably
weder . . . noch neither . . . nor
zögernd hesitating

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Brief an den Vater

Brief an den Vater

Franz Kafka was a German-speaking Jew who grew up in Prague.  Near the end of his life, when he was sick with tuberculosis, he wrote this letter to his father looking back on their troubled relationship.

The sad and bitter letter is a model on how not to bring up a son.  Kafka gave it to his mother, but she never delivered it to her husband.

I’ll be taking a short break from Bonhoeffer and posting a few selections from Kafka’s letter.

Liebster Vater,

Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir.  Ich wusste Dir, wie gewöhnlich, nichts zu antworten, zum Teil eben aus der Furcht, die ich vor Dir habe, zum Teil deshalb, weil zur Begründung dieser Furcht zu viele Einzelheiten gehören, als dass ich sie im Reden halbwegs zusammenhalten könnte.  Und wenn ich hier versuche, Dir schriftlich zu antworten, so wird es doch nur sehr unvollständig sein, weil auch im Schreiben die Furcht und ihre Folgen mich Dir gegenüber behindern und weil die Grösse des Stoffs über mein Gedächtnis und meinen Verstand weit hinausgeht.

Hauptwörter

die Begründung reason, explanation

die Einzelheit detail

die Folge; pl Folgen consequences

die Furcht fear

das Gedächtnis memory

die Grösse size, extent

das Reden talk, speech

das Schreiben writing

der Stoff material, subject

der Teil part

der Verstand reason, understanding

Zeitwörter

antworten answer

behaupten maintain, claim, insist

behindern hinder

fragen, gefragt ask

gehören belong to, pertain to

haben; hätte subj in dependent clause (indir statement)

hinausgehen go out, go beyond

können, könnte (cond), can, be able

versuchen attempt

wissen, wusste know

zusammenhalten hold together

Andere Wörter

deshalb therefore, that’s why

gegenüber opposite, Dir gegenüber to you

gewöhnlich usual/ly

halbwegs partly, in part

letzthin recently

schriftlich in writing

incompleteunvollständig

weit wide, far

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